Islamistengegner Micheal Stürzenberger niedergestochen
Von Peter Helmes

Das Attentat von Mannheim ist inzwischen wohl jedem bekannt: Hier der polizeilich bisher unbekannte Islamist, da der polizeibekannte Islamkritiker Michael Stürzenberger, dem ich durch eine lange politische Freundschaft verbunden bin. Michael kämpft für ein islamfreies Europa – und wird dafür von Islamisten, aber auch durch den deutschen Staat seit Jahren verfolgt, aber die Verfolgung seines Hauptvorwurfs an die an Untätigkeit grenzende politische Reaktion der herrschenden Politiker bleibt aus.

In einer für heutige Verhältnisse recht kritischen Analyse von Ulrich Reitz heißt es jetzt auf  FOCUS-online u.a.:

„Jedenfalls hatte der Verfassungsschutz den mutmaßlichen Islamisten nicht auf dem Schirm, wohl aber eines seiner Opfer, Michael Stürzenberger. Was der bayerische Verfassungsschutz über ihn notierte, wirft Fragen an die Staatsschützer selbst auf – auch nach dem Beobachtungskriterium „Islamfeindlichkeit“.

Denn: Die Verfassungsschützer werfen Stürzenberger allen Ernstes vor, dieser habe den palästinensischen Anschlag auf die israelische Mannschaft während der Olympischen Spiele 1972 in den ersten Anschlag des „politischen Islam“ „umgedeutet“. Da allerdings gibt es nichts umzudeuten: Bei dem Überfall der damaligen PLO-Terroristen in München handelte es sich zweifelsfrei um ein Attentat des „politischen Islam“. Bis heute verweigert die Fatah als PLO-Nachfolge-Organisation Israel die Anerkennung.

Damit nicht genug: Bayerns Verfassungsschutz kreidete laut eigenem Bericht Stürzenberger diese Aussage an – sie stammt vom 31. Januar 2022 und lautet: „Jeder Moslem, der aus Afghanistan als vermeintlicher ‚Flüchtling‘ zu uns nach Deutschland kommt, müßte zunächst genau auf seine Einstellung zum Islam überprüft werden.“

Ländern deutlich überrepräsentiert sind, hätte man sich genau dies von den Sicherheitsbehörden gewünscht.“

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Soweit der bemerkenswerte Kommentar von Ulrich Reitz.
Was schon länger vermutet wurde, hat nun auch der Innenminister Baden-Württembergs verkündet: Der Messerangriff in Mannheim hatte wohl einen islamistischen Hintergrund.

Die Messerattacke von Mannheim war den Behörden zufolge mutmaßlich islamistisch motiviert. Es verdichteten sich die Erkenntnisse, daß es sich um eine islamistisch-extremistisch motivierte Straftat handle, sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Dienstag in Stuttgart. Es gebe zudem keine Hinweise, daß es sich bei dem mutmaßlichen Täter um eine Person handle, die einer größeren Gruppe angehöre.

Es könne sich um einen islamistisch radikalisierten Einzeltäter handeln, sagte Strobl. Gerade diese Leute seien besonders gefährlich, da Einzeltäter nicht in Gruppen kommunizierten und schlecht zu überwachen seien. Der 25-Jährige war zuvor nicht polizeilich bekannt gewesen.

Ein Bericht enthüllt neue Details zum mutmaßlichen Angreifer von Mannheim.
Ein Spendenaufruf für den verstorbenen Polizisten stößt derweil auf große Resonanz.

Bei der Spendenaktion für den ermordeten Polizisten in Mannheim sind in kurzer Zeit über 200.000 Euro zusammengekommen. Das Bündnis der Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften Blumberg e. V. hatte auf der Plattform Gofundme zu der Spende aufgerufen.

Nachdem der Aufruf ursprünglich mit einem Spendenziel von 20.000 Euro gestartet war, wurden in kürzester Zeit 100.000 Euro gespendet. Daraufhin korrigierte das Bündnis den Spendenzweck. So habe man sich entschieden, „weitere Spendeneingänge auch für ähnlich gelagerte Fälle innerhalb unserer Polizeifamilie“ zu nutzen. Diesem Ziel sei man als gemeinnütziger und eingetragener Verein verpflichtet.

Polizist stirbt nach Angriff
Der Spendenaufruf war am Sonntagmittag erstellt worden, als der Polizist noch am Leben war. Weniger als 24 Stunden später hatten bereits über 10.000 Menschen eine Summe von über 220.000 Euro gespendet.

Bei dem Angriff hatte ein 25-Jähriger am vergangenen Freitagvormittag auf dem Marktplatz in der Innenstadt von Mannheim bei einer Veranstaltung der islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE – dort bin ich Mitglied / P.H.) sechs Männer verletzt, darunter den Polizisten. Der 29-Jährige erlag am Sonntagnachmittag seinen Verletzungen. Der Angreifer mit afghanischer Staatsbürgerschaft hatte dem Beamten mehrmals in den Kopfbereich gestochen.

Angreifer soll Videos von islamistischem Prediger geteilt haben
Das Motiv des Verdächtigen ist weiter unklar. Bisher sei der Mann nicht vernehmungsfähig gewesen, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Er war in den Minuten nach der Attacke ebenfalls verletzt worden.

Nach Recherchen der „Welt“ liegt allerdings ein islamistisches Motiv nahe. So habe sich der 25-Jährige zwischen 2020 und 2023 optisch verändert, sich unter anderem einen Vollbart wachsen lassen. Außerdem soll ein Youtube-Zugang, der wohl dem mutmaßlichen Angreifer zuzuordnen ist, in den vergangenen Monaten immer wieder Auftritte eines inzwischen getöteten Predigers geteilt haben: Ahmad Zahir Aslamiyar, dessen Botschaften auch in Gruppen des IS-Ablegers „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ verbreitet werden.

Der junge Mann soll im Jahr 2013 aus Afghanistan nach Deutschland gekommen sein. Sein Asylantrag sei 2014 abgelehnt worden. Es wurde nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur allerdings ein Abschiebeverbot verhängt, vermutlich wegen des jugendlichen Alters. Im Jahr 2023 soll er eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten haben, weil er mit einer Frau ein Kind mit deutscher Staatsbürgerschaft bekommen habe.

Die Polizei hat mittlerweile ein Hinweisportal eingerichtet und um Mithilfe von Zeugen gebeten: Bild- oder Videoaufnahmen seien von Interesse, teilten Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt Baden-Württemberg am Montag mit. Die Behörden versprechen sich davon mehr Erkenntnisse dazu, wo genau auf dem Marktplatz sich der 25-jährige Täter kurz vor der Attacke am vergangenen Freitag aufgehalten, und was er in der Zeit gemacht hat. Videos und Bilder könnten über ein Hinweisportal der Polizei übermittelt werden.

Auseinandersetzung mit dem Islamismus ist dringend nötig
Es wird höchste Zeit für ehrliche Debatte über die Gefahren von Islamismus – ohne Naivität, ohne Scheuklappen, ohne doppelte Standards.

Einer aufgeklärten Gesellschaft ist eine schonungslose Debatte zumutbar, wenn sie niemanden unter Generalverdacht stellt, aber gleichzeitig die Dinge klar beim Namen nennt. Der Islamismus ist der Feind der freien Gesellschaft. Genau als solcher muß er auch behandelt werden.

Eine Innenministerin ist nicht bloß für Warnungen zuständig
Bundesinnenministerin Nancy Faeser schrieb nach der Mannheimer Attacke: „Wenn die Ermittlungen ein islamistisches Motiv ergeben, dann wäre das eine erneute Bestätigung der großen Gefahr durch islamistische Gewalttaten, vor der wir gewarnt haben.“ Mit einer solchen Aussage verkennt die SPD-Politikerin, was ihre Aufgabe ist. Nicht das Warnen vor, sondern das Verhindern von Attentaten ist Kernbereich innerer Sicherheit. Dafür ist Faeser zuständig. Sie hat einen Eid geschworen, Schaden von Deutschland abzuwenden.

Eine Warnung nutzt niemandem, der sich im öffentlichen Raum einer Messerattacke ausgesetzt sieht. Solche Situationen sollten nach Möglichkeit gar nicht entstehen. Deshalb wäre unabdingbar, wozu die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP bisher nicht bereit ist: ein echter Kurswechsel in der Migrationspolitik, hin zu mehr Abschiebungen, weniger illegalen Einreisen, geringeren Pull-Faktoren, härteren Strafen.

Echte Integration ist gefordert
Immer wieder begegne ich in der Politik der Auffassung, Integration bedeute Sprache plus Arbeit minus Kriminalität. Dies ist jedoch viel zu wenig, da man nicht darauf achtet, ob die Menschen auch emotional in diesem Land ankämen und die Grundwerte verinnerlichten.

Integrationsexperte Ahmad Mansour kritisiert  zu Recht das Narrativ vom „vorbildlich integrierten Asylwerber", der sich überraschenderweise radikalisierte. „Vielleicht ist das aber unser Grundfehler in der Betrachtung von Integration.“

Mansour unterstellt der deutschen Politik Floskelhaftigkeit. „Wo ist die Präventionsarbeit? Wo ist die Integrationsarbeit? Wo ist die Bekämpfung von islamistischen Strukturen? Wo sind die Abschiebungen von Gefährdern, die in diesem Land nichts zu suchen haben? Wo ist der Schutz für diejenigen, die von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen und sich dagegen stellen wollen?", so Mansour.

Kommentator Thomas Seiler schreibt treffend:
„Mio. Menschen hatten das Video gesehen, das einen Mann mit Salafistenbart zeigt, der berserkerhaft auf Stürzenberger, seine Helfer und schließlich einen Polizisten einstach, bis er von einem anderen Polizisten niedergeschossen wurde. Aber der Bundeskanzler erwähnt das wohl bestdokumentierte Attentat der deutschen Geschichte in seiner fast vier Minuten langen Ansprache mit keinem Wort. Stattdessen erinnert er zusätzlich zum Lübcke-Mord an den NSU-Anschlag in der Kölner Keupstraße vor 20 Jahren. Nicht, daß diese Verbrechen nicht erwähnenswert und erinnerungswürdig wären. Aber an diesem Tag bewegte Millionen Deutsche eben ein anderes, sehr viel jüngeres politisch motiviertes Verbrechen, das nicht von Rechtsextremisten begangen wurde. Hört man dann noch Steinmeiers Phrasen und Floskeln, tja, dann fragt man sich tatsächlich, ob die noch alle Tassen im Schrank haben.“

In einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft, muß es möglich sein, Religionen gefahrlos zu kritisieren – und zwar jede Religion, auch den Islam. Wer dies nicht akzeptieren kann, verkennt das europäische Erbe der Aufklärung. Für demokratische Politiker sollte es Pflicht sein, jede gewaltverherrlichende Ideologie öffentlich abzulehnen – und dazu gehört der politische Islam oder Islamismus. Wer als Politiker den Schuss von Mannheim nicht gehört hat, verdient es, bei der nächsten Wahl durch eine Alternative ersetzt zu werden.

Die jüngsten Ereignisse von Mannheim zeigen das ganze Ausmaß der Perversion der Rechtsstaatlichkeit und der öffentlichen bzw. medialen Debatte über den politischen Islam in Deutschland.

Die „Interpretationen“ der Äußerungen Stürzenbergers durch die Behörden des Verfassungsschutzes folgen dem Muster der Verdrehungen, mit dem der parteipolitisch instruierte Haldenwang und seine Helfershelfer politisch Andersdenkende zur Strecke bringen wollen.

Die wird allerdings durch den blutigen Angriff auf islamkritische Aktivisten und die Ermordung des Polizisten Rouven L. (unfreiwillig) einmal mehr in der Einschätzung der politischen Lage und der Berechtigung ihrer Forderungen bestätigt.

Es ist höchste Zeit für Abschiebungen in großem Stil oder noch besser: vermeintliche „Flüchtlinge“ erst gar nicht ins Land lassen – und dabei sollte uns das Hemd näher sein als der Rock. (Nur 16.430 abgelehnte Asylbewerber konnten 2023 abgeschoben werden. Bei 31.330 Personen klappte es nicht – was für ein selbstdelegitimierendes Systemversagen!)


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Donald Trump, ein rechtskräftig verurteilter ehem. Präsident – ohne Reue
Von Peter Helmes


Der ehemalige US-Präsident Donald Trump wurde vom Gericht in New York in 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen. Die New Yorker Jury befand ihn in 34 Punkten wegen der Fälschung von Geschäftsunterlagen für schuldig. Damit ist zum ersten Mal ein ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten ein verurteilter Verbrecher.

Ein geschichtsträchtiges Urteil in einem historischen Prozeß. Die Jury im Schweigegeld-Prozeß von New York befand Donald Trump nach nur kurzer Beratung für schuldig in allen 34 Anklagepunkten. Und das zu Recht. Der gesunde Menschenverstand hat kein anderes Urteil als dieses zugelassen.

Bei dem Urteil ging es um Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin. In seiner Erklärung nach der Verurteilung spielte Trump auf die offensichtliche politische Bedeutung des Prozesses an und wies darauf hin, daß die Wähler ihr Urteil am 5. November sprechen werden. In gewisser Weise hat er recht. Dann wird es nicht an einer 12-köpfigen Jury sein, sondern an Millionen von Wählern, ein Urteil zu fällen.

Das Urteil in dem Verfahren wird im Juli verkündet, unmittelbar vor dem Parteitag der Republikaner. Selbst wenn es nicht allzu wahrscheinlich ist, daß Trump in Haft muß – er ist dann vorbestraft und kann trotzdem kandidieren. In einer anderen Wirklichkeit wäre das eine verheerende Ausgangsposition und etwas Unmögliches für Bürger, die ihr Land für ein moralisches und demokratisches Vorbild für die Welt halten. Aber das alles spielt jetzt offenbar keine Rolle, weder für Trumps Anhänger noch für seine Geldgeber. Am Ende entscheiden nur ein paar unentschiedene Wähler in einigen Swing States, ob Trump eine zweite Amtszeit erhält – und für die hat er bereits einen Rachefeldzug gegen alle seine Gegner angekündigt. Kein Amerikaner kann dann noch behaupten, er hätte von nichts gewußt.

Die laute Theatralik und die Selbststilisierung als Opfer, die Trumps Auftritt vor Gericht kennzeichneten, haben dazu beigetragen, daß Joe Biden stabiler, vernünftiger und staatsmännischer wirkt. Trump ist ein krasser Gegensatz zu Biden, 81, immer adrett und fröhlich, wenn auch etwas wackelig auf den Beinen. Es ist schwer vorstellbar, daß Biden die jungen Erstwähler, die Unabhängigen und die Minderheiten weniger anspricht, die laut Meinungsforschern im November den Unterschied ausmachen könnten.

Während Biden ein problematischer Kandidat bleibt, hat Trump in den letzten Tagen erneut bewiesen, daß er ein wirklich grauenhafter Kandidat ist – und ein reueloser Krimineller obendrein. Er ist ungeeignet für das Amt. Er sollte zurücktreten.

Die Entscheidung der Jury ist eine weitere – vielleicht die bislang deutlichste – Erinnerung an die vielen Gründe, warum Trump für das Amt des US-Präsidenten ungeeignet ist. Der ehemalige Präsident hat noch nie große moralische Rechtschaffenheit an den Tag gelegt, aber die im New Yorker Prozeß vorgetragenen Fakten haben noch mehr Informationen enthüllt, die die Öffentlichkeit über die unethische Art und Weise wissen sollte, wie Trump sein Leben und seine Geschäfte führt. Die Geschworenen haben ihr Urteil gefällt, und die Wähler werden es im November fällen. Wenn die Republik überleben soll, sollten wir alle – auch Trump – uns an beide Urteile halten, unabhängig vom Ergebnis.

Beim umstrittenen Prozeß geht es um die falsche Verbuchung einer Schweigegeldzahlung an eine Pornodarstellerin, mit der Trump Sex gehabt haben soll. Es geht nicht darum, daß Trump Tausende Menschen aufgehetzt hatte, das Capitol zu stürmen, und es geht auch nicht darum, daß er nach der Wahl 2020 in Georgia die Wahlaufsicht dazu gedrängt hatte, ein paar tausend Stimmzettel zu ‚finden‘. Es geht um eine Verbuchung. Daß alle Augen auf dem New Yorker Verfahren waren, hing vor allem damit zusammen, daß es der einzige Prozeß gegen Trump war, der vor den Wahlen stattfinden konnte. Die anderen relevanteren Anklagen gegen den Ex-Präsidenten kommen erst nach dem Urnengang. Das ist die eigentliche Tragödie.

Viele Wähler werden all dies verdauen und zu dem Schluß kommen, daß Trump zwar ein Schuft sein mag, diese Verurteilung ihn aber nicht für eine zweite Amtszeit im Weißen Haus disqualifiziert. Richter Juan Merchan hat die juristische Kreativität von Staatsanwalt Alvin Bragg in einer Weise toleriert, wie es ein Berufungsgericht vielleicht nicht tun würde. Was ist, wenn Trump die Wahl verliert und in der Berufung Recht bekommt? Wenn die Demokraten der Meinung sind, daß sich heute zu viele Republikaner über gestohlene Wahlen beschweren, stellen Sie sich vor, wie viele es nächstes Jahr sein werden. Die Verurteilung schafft einen Präzedenzfall dafür, juristische Fälle – egal, wie fragwürdig sie sind – zu nutzen, um zu versuchen, politische Gegner auszuschalten, einschließlich ehemalige Präsidenten.

Trump wird auch in Zukunft bei seinen Wählern Rückhalt genießen. Sicher werden ihn seine Anhänger weiter unterstützen. Wer bereits die große Lüge von einem Wahlsieg Trumps 2020 geglaubt hat, kauft ihm auch alles andere ab. Viele waren doch auch überzeugt davon, daß Trumps politische Karriere definitiv vorbei ist, als er nach dem Sturm auf das Kapitol unehrenhaft das Weiße Haus verließ. So kann man sich täuschen.

Das Urteil in Manhattan ist eigentlich eine Niederlage für Donald Trump. Sie gefährdet seine Wiederwahl, auch wenn seine Fans ihn unverdrossen weiter unterstützen werden. Trumps Risiko besteht darin, daß er potenzielle Unterstützung bei den gemäßigten Wählern verliert, die für einen Sieg gegen Joe Biden entscheidend sind. Einen Kriminellen ins Weiße Haus zu schicken, wäre selbst für sie eine unüberwindbare rote Linie.

Wir erinnern uns: Trump war der erste amtierende Präsident, gegen den zweimal ein Amtsenthebungsverfahren lief, der erste, der ins Weiße Haus einzog, ohne zuvor in der Regierung oder beim Militär gedient zu haben, und der erste ehemalige Präsident, der sich trotz 88 Anklagepunkten zur Wiederwahl stellte. Nun hat Donald Trump seiner Karriere einen neuen berüchtigten Titel hinzugefügt: Er ist der erste Präsidentschaftskandidat, der als verurteilter Verbrecher für das Amt kandidiert.

Wie auch immer die US-Wahlen im November ausgehen: Trump geht mit dem New Yorker Urteil in die Geschichte ein. Der Ex-Präsident hat alles Erdenkliche unternommen, um diesen Schuldspruch zu verhindern. Er stellt sich als politisch Verfolgter dar, bezeichnet die Justiz als korrupt und beschimpft Zeugen, Staatsanwälte und Richter. Die Resilienz der amerikanischen Justiz wurde herausgefordert – und hat trotz aller Einschüchterungsversuche des Ex-Präsidenten ihre Unabhängigkeit bewahrt. Das ist ebenfalls historisch.

Wir sollten auch bedenken welche Folgen ein Wahlsieg Trumps für die US-Außenpolitik hätte: Seit seinen Anfängen hat Amerika Allianzen mit Ländern bevorzugt, die gemeinsame politische und wirtschaftliche Werte teilen. Trump hat diesen Ansatz auf den Kopf gestellt, indem er erklärt hat, er werde keine schmarotzenden Verbündeten schützen, die nicht genug für die Verteidigung ausgeben, und indem er bei jeder Gelegenheit seine Bewunderung für autoritäre Führer wie Xi Jinping, Vladimir Putin, Viktor Orban und Jair Bolsonaro zum Ausdruck bringt. Rußlands Präsident Putin freut sich auf einen möglichen Wahlsieg Trumps, der sich für eine Kürzung und Einstellung aller Hilfen für die Ukraine ausspricht. Aber nicht nur Putin, sondern alle Autokraten der Welt, einschließlich der Golfstaaten, Saudi-Arabiens und Chinas, wollen, daß Trump wiedergewählt wird.


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Der Deutsche Katholikentag – ein Hochamt linker Gesinnungstüchtigkeit
Von Peter Helmes


Der 103. Deutsche Katholikentag ist vorbei. Ganze 20.000 Teilnehmer wurden gezählt – deutlich weniger als in früheren Katholikentagen. Damit hat das Interesse am Treffen des organisierten Verbandskatholizismus ein Rekordtief markiert.

Um die Jahrtausendwende waren noch über 100.000 Menschen der Einladung etwa nach Mainz oder Hamburg gefolgt. Der Abwärtstrend ist selbstverschuldet und Umkehr nirgends in Sicht. Auch jetzt in Thüringen feiert sich eine linkskatholische Parallelgesellschaft selbst. Politischer Aktivismus wird höher gewichtet als Spiritualität, eine grüne Programmatik liefert die Dogmen und sorgt für neue Götzen.

Katholikentage hatten schon immer einen Fokus auf der sozialen Frage. Christen ist aufgegeben, sich des Nächsten anzunehmen. Keineswegs zählt aber Staatsfrömmigkeit zur christlichen Kernaufgabe. Bei der Eröffnungsfeier vor dem Dom wurde als Erster „unser Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier“ begrüßt.

Die AfD muß draußen bleiben
Solche protokollarischen Ehren deuten auf eine schiefe Rangordnung. Man brüstet sich mit den Insignien und Repräsentanten der Macht, statt aller irdischen Autorität skeptisch zu begegnen. Steinmeier lieferte das Erwünschte: Er rief die Katholiken zum Schulterschluß auf gegen die „Feinde der Demokratie“, namentlich den Rechtsextremismus. Islamistische Rufe nach einem Kalifat beunruhigen den protestantischen Präsidenten offenbar weniger.

Als roter Faden ziehen sich „Demokratie und Vielfalt“ durch Podien und Foren des Katholikentags. Das Bekenntnis wäre glaubhaft, nähmen die Veranstalter es ernst. Das tun sie nicht. Statt Vielfalt herrscht politische Einigkeit, Demokratie wird verkürzt zum Schaulaufen der linken Mitte. Wie sehr Rede und Tat auseinanderklaffen, zeigte sich ebenfalls bereits bei der Eröffnungsveranstaltung. Man wolle, hieß es von der Tribüne am Dom herab, „wirklich offen sein, offen für alle“. Deshalb sei die Beteiligung von Nichtchristen oder von Muslimen eine wunderbare Sache.

Zwei Frauen mit Kopftuch, eine zusätzlich mit dem Tuch der Palästinenser bekleidet, standen zur Illustration solcher Offenheit im Hintergrund. Konservative Politiker hingegen sucht man mit der Lupe. Die AfD wurde für unerwünscht erklärt, obwohl sie im Freistaat momentan die größte Zustimmung erfährt. Falsch klang darum das Bekenntnis der Präsidentin des Zentralkomitees der Katholiken, Imre Stetter-Karps, man wolle auf die „Kraft des besseren Arguments setzen“ und so etwas für den Frieden tun. Das Motto der vier Tage lautet „Zukunft hat der Mensch des Friedens“, ein Wort aus den Psalmen.

„Queer“ etc. scheint wichtiger als GOTT
Wer sich das 270-seitige Programm anschaut, erkennt: Die Argumente wurden bereits vorab gewogen, um sich die Zumutung eines abweichenden Gedankens zu ersparen. Was gut ist und was falsch, was begrüßens- und was tadelnswert, wissen die Veranstalter genau. Lediglich bei den Debatten über Krieg und Frieden sind Kontroversen zu erwarten. Insofern markiert Erfurt eine Abkehr vom Pluralismus.

Hier wird fast nie gerungen, hier werden säkulare Glaubenssätze verkündet: „Frieden braucht Klimagerechtigkeit“, die Wirtschaft „muß“ einen Beitrag leisten, um die „sozialökologische Transformation zu beschleunigen“, eine „hoffnungsvolle Transformation“ sei möglich, die „Potenziale feministischer Außenpolitik“ gelte es zu heben. Kein Wunder, daß die grünen Spitzenpolitiker Robert Habeck, Anna-Lena Baerbock, Lisa Paus, Cem Özdemir und Omid Nouripour sich pudelwohl fühlen und mehrere Veranstaltungen bestreiten.

An vielen Stellen ist dieser Katholikentag, was die evangelischen Kirchentage längst sind: ein Hochfest linker Gesinnungstüchtigkeit. Die Ökumene der Einfallslosigkeit funktioniert.

Einmal woke, einmal queer – „Ave Vulva“
Auch kirchenpolitisch werden mit Vorliebe „woke“ Themen bedient, die an Hochschulen und Akademien ihre bestallten Claqueure finden. Einmal heißt es, „Der Leib Christi ist queer“, einmal „G*tt ist trans“. Ein Motto lautet „Decolonize Church“, ein anderes „Ave Vulva“. Ein „Reflexionsraum zu genderqueeren Perspektiven“ ist ebenso im Angebot wie das Programm einer „Trainer*in für Diversity und Social Justice“. Und natürlich sollen auch innerkirchlich die Pforten geschlossen bleiben für „Anti-Gender und die Neue Rechte“.

So ist in Erfurt – trotz einiger Oasen des Spirituellen, Kontemplativen, Mystischen – das bizarre Schauspiel einer Kirche zu besichtigen, die sich abschottet, indem sie Öffnung behauptet; einer Kirche, die Dialog simuliert und Zustimmung fordert; einer Kirche, die Gerechtigkeit einklagt und ungerecht ist gegenüber all jenen, die ganz andere Schlüsse ziehen aus dem Evangelium als links-grüne Politaktivisten. Will der Katholikentag den Sturz ins Belanglose verhindern, müßte er tun, wozu ihm Mut und Geist fehlen – und ganz auf die Mitwirkung von Politikern verzichten.


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Umstrittener Einsatz von NATO-Waffen auf russischem Gebiet
Von Peter Helmes


Der Krieg in der Ukraine ist wirklich seltsam. Rußland beschießt fast täglich gnadenlos ukrainische Städte, während die Ukraine keine Ziele in Rußland mit westlichen Waffen angreifen darf – und dabei geht es, wohlgemerkt, nicht um zivile, sondern um militärische Ziele. Das Verbot gilt auch nur für westliche Waffen, denn mit den Waffen, die die Ukraine selbst produziert, darf sie mehr oder weniger tun, was sie will. Die Kernfrage ist und bleibt, ob es der Ukraine gestattet werden soll, mit westlichen Waffen Ziele auf russischem Boden anzugreifen.

Wieder ´mal Zauderer Scholz
Frankreichs Präsident Macron hat sich bei seinem Deutschland-Besuch zu Recht dafür ausgesprochen, der Ukraine Angriffe auf militärische Ziele auf russischem Territorium zu erlauben. Experten halten das völkerrechtlich für gedeckt. Zu den Zauderern in der Frage gehört wie üblich Bundeskanzler Olaf Scholz. Dabei läßt er außer Acht, daß die Eskalation von Wladimir Putin ausgeht, ihn gilt es zu stoppen. Das liegt nicht nur im Interesse der Ukraine, um deren Überleben es geht – sondern auch im Interesse Deutschlands, Europas und der westlichen Welt.“

Olaf Scholz legt es auf Unklarheit an. Auf Vernebelung. Er könnte und müßte eine klare Antwort auf eine klare Frage geben: Darf die Ukraine zu ihrer Verteidigung mit von Deutschland gelieferten Waffen legitime militärische Ziele in Rußland angreifen? Der Kanzler verweigert diese Auskunft. Er verweist nebulös aufs Völkerrecht. Das Völkerrecht erlaubt die Abwehr russischer Angriffe auf die Ukraine, unabhängig davon, ob sie von besetzten Gebieten in der Ukraine oder von russischem Territorium ausgehen. Aber: Wenn der Kanzler das mitteilen will, warum sagt er es nicht offen? Als Bürger und Wähler haben die Deutschen ein Recht darauf zu wissen, was der Kurs des Kanzlers ist. Schluß mit dem Lavieren, bitte, und eine klare Antwort!

Allerdings, eine Gefahr liegt in der Luft, und ein Nein zu einem ‚Feuer frei‘ ist zumindest nachvollziehbar. Denn egal, wie präzise moderne Waffen auch sein mögen – es ist kaum vorstellbar, daß es nicht doch irgendwann ‚zivile‘ Schäden und Tote gibt. Sei es durch ein Versehen, sei es, weil vielleicht bei einem ukrainischen Kommandeur die Rachegefühle hochkochen und er absichtlich auf nicht-militärische Objekte zielen läßt.

Es ist unendlich schwer, einen Kampf zu gewinnen, wenn einem eine Hand auf den Rücken gebunden ist. Nun läuft der Krieg schon über zwei Jahre, und es ist an der Zeit, daß der Westen nicht nur seine militärische Hilfe verstärkt, sondern der Ukraine auch den Einsatz dieser Waffen für Angriffe auf Ziele in Rußland erlaubt. Natürlich muß das im Rahmen des Völkerrechts geschehen, aber dieses sichert das Recht auf Selbstverteidigung auch auf dem Territorium des Feindes zu.

Umso mehr ist die lange Zeit unklare Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz zu beklagen, ja anzuklagen. Inzwischen hat die Bundesregierung den Einsatz deutscher Waffen gegen Ziele in Rußland zur Verteidigung von Charkiw erlaubt. Als der deutsche Kanzler diese Woche neben dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron stand, war seine sehr persönliche Form der Nicht-Kommunikation wieder einmal besonders denkwürdig zu bestaunen. Macron bejahte Angriffe auf russische Stellungen und Stützpunkte erstmals ausdrücklich und hielt für diesen Zweck sogar eine Karte in die Luft, die die neue Front bei der Millionenstadt Charkiw zeigte. Scholz antwortete nicht auf die Frage, bestätigte seinen Gast aber, indem er feststellte, daß Kiew völkerrechtlich alle Möglichkeiten habe, zu tun, was es tue. Stellt das eine Kehrtwende in typischer Scholz-Art dar?“

Der Westen befindet sich offensichtlich in einem Dilemma: Einerseits wollen weder die USA noch die EU-Staaten zulassen, daß Rußland den Konflikt gewinnt, die Situation vor Ort radikal verändert und dadurch seine Bedingungen in möglichen Verhandlungen diktiert. Andererseits will keine einzige westliche Großmacht in einen direkten Konflikt mit Rußland eintreten, ganz gleich, was einige Politiker über den Einsatz von Waffen oder die Entsendung von Militär sagen.

Der internationale Konflikt der USA und des Westens mit Rußland ist dabei, in eine neue Phase einzutreten. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, daß sich der Krieg in der Ukraine auf ein größeres Gebiet ausweitet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er in naher Zukunft sowohl in Rußland als auch in Europa ausgetragen wird.

Bei der Debatte um einen Einsatz von NATO-Waffen durch die Ukraine gegen militärische Ziele in Rußland wird eines klar: Völkerrechtlich ist der Befund eindeutig: Die Ukraine darf sich auch auf russischem Territorium gegen den russischen Angriff zur Wehr setzen. Und sie darf das mit Waffen tun, die ihr von anderen Ländern geliefert wurden. Also auch mit von Deutschland bezahlten und zur Verfügung gestellten Raketen zum Beispiel. Die Frage ist, ob Wladimir Putin das auch so sieht.

Tatsächlich hatte der Westen die Ukraine mehr als zwei Jahre lang gezwungen, quasi mit angezogener Handbremse zu kämpfen. Statt Nachschublinien, Militärbasen und Flugfelder, von denen russische Kampfjets mit ihrer tödlichen Bombenlast aufsteigen, auch in Rußland bekämpfen zu können, mußten die Ukrainer stets warten, bis die Aggressoren die Grenze zur Ukraine überschritten hatten. Die Absurdität dieser Einschränkung zeigt sich gerade im Raum Charkiw. Daß sich das jetzt ändert, war überfällig und ist auch vereinbar mit dem Völkerrecht. Es ist traurig, daß es immer erst die schiere Not und Bedrängnis der ukrainischen Kräfte ist, die westliche Politiker zu Entscheidungen zwingt, die eigentlich auf der Hand lagen und deren Verzögerung sehr viele Leben auf ukrainischer Seite gekostet hat.

In diesem Krieg haben sich die ‚roten Linien‘ schon öfter verschoben als die Fronten. Zuerst wollte der Westen keine tödlichen Waffen schicken, dann keine schweren, dann zumindest keine Kampfpanzer. Und nun ist Joe Biden wohl der erste US-Präsident, der den Einsatz amerikanischer Waffen gegen Ziele im Land einer Nuklearmacht erlaubt was er davor kategorisch ausgeschlossen hatte, auch mit dem Argument, einen dritten Weltkrieg verhindern zu müssen. Im Nachhinein ist man zwar immer schlauer, aber die Frage drängt sich schon auf, ob diese Selbstbeschränkungen in aller Öffentlichkeit immer schlau waren.

Wer der Ukraine weitere Gegenschläge mit westlichen Marschflugkörpern und Raketen verweigert, zwingt sie zum Kampf gegen Windmühlen:
Ihr Luftabwehr-Arsenal geht zur Neige, während Putins Soldaten aus sicherer Entfernung fortwährend weitere Geschosse abfeuern. Es ist an der Zeit, im Einklang mit dem Völkerrecht die Fesseln für die Ukraine zu lockern und ihr einen klaren Rahmen vorzugeben, welche Ziele in Rußland sie attackieren darf – ohne öffentlich groß darüber zu reden. Der Westen sollte Putin über Pläne, Strategie und Waffenlieferungen im Unklaren lassen.

Immer mehr NATO-Staaten geben zu: Damit die Ukraine sich wirksam gegen die Angriffe Rußlands verteidigen kann, muß sie in der Lage sein, mit westlichen Waffen dort anzugreifen, von wo die Aggression ausgeht – also auf russischem Territorium. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg begann in den letzten Tagen damit, die Verbündeten dazu zu ermutigen, Angriffe tief im russischen Territorium zuzulassen. Frankreichs Präsident Macron zeigte während seines Deutschland-Besuchs Verständnis für größere Verteidigungs-Freiheiten der Ukrainer. Und US-Außenminister Antony Blinken begann nach seinem Besuch in Kiew, Joe Biden davon zu überzeugen, die Beschränkungen für die Verwendung von Langstreckenraketen aufzuheben, was jedoch bisher nicht geschehen ist. Bundeskanzler Olaf Scholz bleibt weiter zurückhaltend. Das kennen wir ja schon.

Allerdings nähert sich auf diesem Weg die Entwicklung weiter dem großen Krieg in Europa, vor dem Michail Gorbatschow so dringlich wie ungehört gewarnt hatte. Die Falken wischen die ‚roten Linien‘ des Kreml als Bluff beiseite, berufen sich heuchlerisch auf das Völkerrecht. Rußland mit Gewalt zum Einlenken zwingen zu können, ist eine tödliche Illusion. Wie hoch gespielt wird, zeigte jüngst der Angriff gegen die Radaranlage Armawir des russischen Frühwarnsystems zur Erkennung von anfliegenden US-Atomraketen. Im Interesse der Ukraine und Europas kann es keine militärische, sondern nur eine politische Lösung des Konflikts geben.

Eigentlich hatte Emmanuel Macron Olaf Scholz eine Steilvorlage geliefert: Als der französische Präsident und der Bundeskanzler am Dienstagabend im Schloß Meseberg vor die Presse traten, erläuterte Macron mithilfe einer Karte der Ukraine, wie momentan die Stadt Charkiw von russischem Boden aus permanent beschossen wird. Aktuell sei es der Ukraine nicht erlaubt, mit westlichen Waffen nach Rußland zurückzuschlagen, führte Macron aus. Deswegen sollte man jetzt die Erlaubnis dazu erteilen, mit westlichen Waffen die entsprechenden Gefahrenherde in Rußland zu attackieren. So weit, so klar.

Doch der Bundeskanzler wollte dann wie so oft lieber im Unklaren bleiben. „Ganz generell“ habe die Ukraine alle völkerrechtlichen Möglichkeiten, ließ Scholz die Medienvertreter wissen. In seiner Logik heißt das: Ein Angriff auf russisches Gebiet wäre wohl auch mit deutschen Waffen möglich und sei auch nie verboten gewesen – nur eben so richtig sagen wollte er es dann nicht. Ähnlich verhalten äußerte sich auch Verteidigungsminister Boris Pistorius in den letzten Tagen. Die Auflösung gab es dann erst heute: Natürlich könne die Ukraine auch mit deutschen Waffen Angriffe aus Rußland zurückschlagen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin.

Steht das einem „Friedenskanzler“?
Scholz folgt mit seinem Wirrwarr um den Waffeneinsatz wieder seinem altbekannten Muster. Das läßt sich als Taktieren oder als kommunikatives Unvermögen verstehen. In jedem Fall könnte es für den Kanzler in Zukunft noch gefährlich werden.

Das kommunikative Wirrwarr kommt dem Kanzler wohl deshalb gelegen, weil allzu forsche militärische Forderungen so gar nicht in die Wahlkampflinie seiner SPD passen, die gerade mit Begriffen wie „Frieden“ und „Sicherheit“ auf ihren Plakaten zur Europawahl wirbt. Scholz denkt dabei vermutlich nicht nur an die Wahl in rund einer Woche, sondern auch schon an die kommende Bundestagswahl. Ob diese Doppelstrategie Erfolg hat? Das wird sich noch zeigen.

Warten auf die USA
Abgesehen von Wahlkampftaktiken hatte der Kanzler auch auf die Billigung aus den USA gewartet. So war es bereits bei vielen Fragen, wenn es um die Unterstützung der Ukraine ging. Auch die Lieferung von Kampfpanzern wollte Deutschland erst durchwinken, als sich US-Präsident Joe Biden daran beteiligte. Dementsprechend mußte auch erst aus Washington durchsickern, daß die Ukraine sehr wohl mit amerikanischen Waffen auf die russischen Attacken reagieren könne – solange es sich um militärische Ziele handelt, die gerade die Region Charkiw bedrohen. Es ist exakt die Forderung, der sich die Bundesregierung heute angeschlossen hat.

Grundsätzlich bleibt die Abstimmung mit den USA für Scholz von großer Bedeutung: Seine Logik, immer im Gleichschritt mit der großen Atommacht zu handeln, soll verhindern, daß Deutschland alleine ins Fadenkreuz Rußlands gerät. Wie realistisch eine solche Androhung aus Moskau ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Das Vorpreschen mit großen Worten aber, so wirkt es zumindest, überläßt der Kanzler eher den anderen westlichen Atommächten. Die regieren eben nicht in Berlin, sondern in Washington, Paris und London.

Doch allzu leicht sollte man es dem Kanzler an dieser Stelle nicht machen: Die bisher gelieferten deutschen Waffensysteme sind für die Distanzen nach Rußland ohnehin eher von untergeordneter Bedeutung, anders als etwa die Himars-Raketenwerfer aus den USA, die jetzt vermehrt in die russische Grenzregion Belgorod feuern werden. Scholz weiß das natürlich – und hätte bereits mit Macron deutlicher Stellung beziehen können, um Einigkeit zu demonstrieren. Stattdessen wirkte der französische Präsident nach seiner Ankündigung wie so häufig, als hätte ihn der Kanzler im Regen stehen lassen.

Dabei wird Scholz Macron in absehbarer Zukunft wohl noch mehr brauchen, falls der kommende US-Präsident wieder Donald Trump heißt. Absprachen wie mit Biden sind dem eher fremd, sowohl mit der eigenen als auch mit ausländischen Regierungen oder sonst wem. Trump droht bereits, nicht jeden Nato-Staat verteidigen zu wollen, möglicherweise wird er sogar einen Austritt aus dem Bündnis erwägen. Spätestens dann wäre eine stabile deutsch-französische Position existenziell. Sie wird in jedem Fall aber noch weiter an Bedeutung gewinnen, weil die USA mittelfristig die größte Bedrohung nicht in Rußland, sondern in China sehen. Darin gibt es zwischen Biden und Trump keine großen Unterschiede. Umso wichtiger wäre es, daß Deutschland gemeinsam mit Frankreich auch in der Sicherheitspolitik endlich eine Führungsrolle einnimmt.

Bei all diesen Erwägungen kommen allerdings die Menschen in Charkiw und anderswo in der Ukraine wieder zu kurz: Denn während Scholz unklare Botschaften sendet, die die Öffentlichkeit dann enträtseln darf, sterben dort jeden Tag weiter Menschen. Allein gestern (30.5.) hat die russische Armee nach ukrainischen Angaben 20 Wohnhäuser in Charkiw beschossen. Dutzende wurden verletzt, fünf Menschen getötet.

Immer mehr NATO-Staaten geben zu: Damit die Ukraine sich wirksam gegen die Angriffe Rußlands verteidigen kann, muß sie in der Lage sein, mit westlichen Waffen dort anzugreifen, von wo die Aggression ausgeht – also auf russischem Territorium. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg begann in den letzten Tagen damit, die Verbündeten dazu zu ermutigen, Angriffe tief im russischen Territorium zuzulassen.

Frankreichs Präsident Macron zeigte während seines Deutschland-Besuchs Verständnis für größere Verteidigungs-Freiheiten der Ukrainer. Und US-Außenminister Antony Blinken begann nach seinem Besuch in Kiew, Joe Biden davon zu überzeugen, die Beschränkungen für die Verwendung von Langstreckenraketen aufzuheben, was jedoch bisher nicht geschehen ist. Bundeskanzler Olaf Scholz bleibt weiter zurückhaltend.

Wahrscheinlich hätte Rußland den Krieg längst verloren, wenn sich die westlichen Verbündeten der Ukraine nicht selbst allerlei rote Linien verordnet hätten. Erst wurden keine Panzer geliefert, dann keine Flugzeuge und keine Langstreckenraketen, und jetzt ist es das Verbot, diese Waffen auch gegen russisches Territorium einzusetzen.

Nacheinander wurden diese Beschränkungen alle auch wieder aufgehoben, aber damit ging Zeit verloren. Putin konnte so lange seinen Krieg weiterführen, und die Ukraine zahlt dafür einen hohen Preis. Begründet wurden die Beschränkungen damit, daß der Konflikt nicht eskalieren solle, und aus der Angst vor russischen Atomwaffen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Lage gar nicht weiter eskalieren kann, weil sich Rußland ohnehin keinerlei Grenzen gesetzt hat und ein Atomschlag dem Kreml überhaupt nichts nützen würde.

Sollte Kiew tatsächlich von dieser Waffen-Erlaubnis Gebrauch machen, wird der Kreml zu dem Schluß kommen, daß die NATO Rußland inoffiziell den Krieg erklärt hat. Wenn intensive Militärschläge der ukrainischen Armee mit der Zerstörung russischer Infrastruktur und massiven Opfern unter der lokalen Bevölkerung einhergehen, wäre eine aggressive Reaktion des Kremls unvermeidlich. Das heißt, daß Rußland in diesem Fall zweifellos Raketenangriffe auf die Länder starten wird, die die Ukraine unterstützen. Das bedeutet, daß der Krieg in der Ukraine nicht nur auf Rußland, sondern auch auf Europa übergreifen kann. In jedem Fall ist dann ein globaler Krieg zwischen Rußland und der NATO unvermeidlich.

In dem Gebiet, das westliche Waffen in Rußland erreichen könnten, befinden sich Treibstofflager, Waffendepots, Kasernen, Flughorste und andere wichtige militärische Infrastruktur. Die Erlaubnis, daß die Ukraine westliche Waffen in Rußland nutzen darf, würde wahrscheinlich die Effektivität der russischen Militäroperation in der Ukraine vermindern. Es darf aber bezweifelt werden, daß sich dadurch das Kräfteverhältnis verändert, solange die Ukraine nicht Probleme wie den Mangel an Munition und Soldaten löst.

Es ist leider eine bittere Erkenntnis: Rußland hat eine Strategie, der Westen dagegen nicht. Die EU und die NATO verteidigen sich oder helfen den Ukrainern, sich selbst m verteidigen. Aber sie wissen nicht, wie sie den Krieg beenden können. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder mit einem militärischen Sieg und der Rückeroberung der ukrainischen Gebiete – ein heute unrealistisches Szenario. Oder durch diplomatisches Handeln – ein Szenario, das es heute auch nicht gibt. Dennoch ist es unerläßlich, darüber nachzudenken und Kiew weiterhin bei der Verteidigung zu unterstützen.

Diese Unterstützung kostet viel Geld. Was spricht dagegen, russische Gelder für die Ukraine-Hilfe zu nutzen. Moskau muß für den völkerrechtswidrigen Invasionskrieg in der Ukraine haften. Ein Weg könnte sein, eingefrorenes russisches Vermögen für die Ukraine-Hilfe zu verwenden. Zwei Drittel davon liegt in den EU-Staaten. Als Gewinn aus Zinsen werden gut 3 Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt. Aber dies ist nicht genug. Daher ist es richtig, daß die G7-Staaten nun eine Initiative ergreifen, um einen Rahmen zu schaffen, diesen Betrag zu erhöhen.


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Was Scholz nicht lernt: Rußlands Imperialismus
(Eigener Bericht)


Die Uhr tickt

Die kleinen Nato-Staaten richten sich illusionslos auf Rußlands Revisionismus ein. Von ihrer Entschlossenheit und Konsequenz kann Olaf Scholz nur lernen. Aber macht er das auch?

Vor ein paar Tagen war der finnische Präsident Alexander Stubb zu Besuch in Berlin. Und wenn es gut geht, hat er Olaf Scholz seinen kühlen, wachen Realismus nahegebracht. Denn von den Finnen läß sich Wirklichkeitssinn lernen. Sie waren entschlossen neutral, solange es sinnvoll war, und nun sind sie entschlossenes Mitglied der Nato. Die Welt hat sich gedreht, und deshalb hat sich dieses kleine Land an einer langen Grenze mit Rußland neu justiert.

Die Gründe nannte Stubb in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“.

             -         Erstens: Rußland wird auch nach Putin von Hardlinern regiert werden.
             -         Zweitens: Rußland wird weiterhin aufrüsten und die Kriegswirtschaft beibehalten.
             -         Drittens: Rußland wird den Versuch fortsetzen, die Ukraine auszulöschen. Die Offensive gegen                         Charkiw ist der Beleg dafür.

Finnland ist auf den Ernstfall vorbereitet
Soweit ein kleines Land mit 5,5 Millionen Einwohnern auf den Ernstfall vorbereitet sein kann, hat sich Finnland vorbereitet. 900.000 Männer und Frauen unterzogen sich einer militärischen Ausbildung; 280.000 von ihnen lassen sich rasch einberufen. Die Arsenale mit Langstreckenraketen sind voll. Die Luftwaffe ist modern. Erstaunlicherweise hat Finnland neben Polen die größte Artillerie Europas.

Von den Finnen lernen, heißt, sich auf den Krieg einzustellen und somit potenzielle Gegner illusionslos so weit abzuschrecken, wie es möglich zu sein scheint. Dazu hat die Zeitenwende in Europa geführt. Und noch etwas läß sich von den Finnen, aber auch von den Litauern, Esten und Letten lernen: nicht viel reden, lieber handeln.

Der einsame Boris Pistorius
In Deutschland wird viel geredet und weniger gehandelt. Am Verteidigungsminister liegt es nicht. Boris Pistorius redet, damit gehandelt wird. Er versucht, aus der Zeitenwende die Konsequenzen zu ziehen. Damit ist er in der Regierung ziemlich einsam.

Die Einsamkeit liegt in der Partei begründet, der er angehört. Die SPD ist notorisch zerrissen, wenn Entscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik getroffen werden müssen. Die Kluft wird noch tiefer ausfallen, sobald die Konsequenz nicht mehr zu leugnen ist: Der Aufbau einer kriegstüchtigen Bundeswehr kostet sehr viel Geld, das bislang in den Sozialstaat geflossen ist, den ebenfalls ein Sozialdemokrat verantwortet: Hubertus Heil.

Der zweite Grund für die Einsamkeit des Boris Pistorius ist Olaf Scholz. Die Klarheit und Entschlossenheit, die der Kanzler vorige Woche an seinem finnischen Besucher und bei seinen Stippvisiten in Lettland und Litauen studieren konnte, geht ihm persönlich ab. Oder freundlicher gesagt: Sollte er lernfähig sein, so konnte er sich vorige Woche mit Wissen vollsaugen, das ihm zu denken geben sollte.

Die kleinen Nato-Staaten sind fest davon überzeugt, daß Rußland unter Putin oder irgendwelchen Nachfolgern expansiv und revisionistisch bleiben wird. Wenn ein so großes Land auf Kriegswirtschaft umstellt, hat es auch nach der Ukraine einiges vor. Die Folge daraus ist, daß Länder wie Deutschland oder Frankreich alles in die Waagschale werfen müssen, um, erstens der Ukraine im Krieg mehr noch als bisher zu helfen, damit, zweitens, mehr Zeit zur Vorbereitung auf die nächsten Überfälle bleibt.

Eile ist geboten
Militärische Experten gehen davon aus, daß in fünf bis acht Jahren die nächsten russischen Angriffskriege zu erwarten sind. Bis dahin müßte also Deutschland kriegstüchtig und die Bundeswehr kriegstauglich sein. Daraus folgt, daß die Regierung schnellstens über die Wiederaufnahme der Wehrpflicht entscheiden sollte, egal ob nach schwedischem Vorbild oder nach altem deutschem Muster oder mit einem sozialen Jahr für junge Frauen wie Männer. Und natürlich muß die Finanzierung für mehr Soldaten und die Aufrüstung zu Land, See und in der Luft gesichert sein, sei es über eine Lockerung der Schuldenbremse oder über Umschichtung im Etat oder, was vermutlich nötig sein wird, über beides.

Nimmt man den Ernst der Lage so ernst, wie es die kleinen Länder vormachen, dann haftet unseren Diskussionen über die Schuldenbremse, das Bürgergeld, die Gender-Politik etc. etwas Unernstes an. Die Regierung ist im Übermaß mit sich selber beschäftigt, weil sie bessere Einsichten, siehe Zeitenwende, nicht angemessen beherzigt. Die Ausnahme bleibt Boris Pistorius, und er findet damit Anerkennung, wie die Umfragen zeigen.

Gerade jährte sich das Ende des Zweiten Weltkrieges. Nie wieder Krieg sollte auch heißen, daß Deutschland fortan friedfertig bleiben würde. Nun ist die Welt unfriedlich und Deutschland sollte sich rasch darauf einstellen.


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